Der Mensch lernt und wächst über die körperlich wahrnehmbare Resonanz in der Begegnung mit seinen Lebensbedingungen. Nur was ihn berührt und ergreift und was er berühren und ergreifen kann, öffnet Lernräume, fördert Wachstum und gibt ihm Orientierung.
Als Begleiter treten wir, wie in anderen Lebensbereichen auch, zu Menschen in Beziehung. Und das, was dann in dieser Begegnung geschehen kann oder nicht geschieht, ist unmittelbar mit davon abhängig, in welcher Weise wir in diese Beziehung gehen.
Die Beziehungsvorgänge in und zwischen uns Menschen bilden ein riesiges Feld von Impulsen, Empfindungen, Wirkkräften und Wechselwirkungen. Wir stehen zu jeder Zeit und an jedem Ort in Verbindung zu anderen Menschen und werden so ständig auf der seelischen, körperlichen und geistigen Ebene von Beziehungen beeinflusst. Dabei räsonieren und reagieren wir darauf in der Regel weitestgehend unbewusst, aber unmittelbar und in vielfältiger Weise, wir wirken und werden bewirkt.
Diese Wirk-lichkeit wird nicht gewusst, sondern erfahren. Wir können viel über Dinge und Beziehung reden, lesen und schreiben, doch es erreicht und erfasst uns niemals so, wie das unmittelbare Erleben desselben. Alles was wir erfahren, jede Wahrnehmung, jedes Erleben, aber auch jedes Handeln, jeder Ausdruck, mit dem wir zu anderen Menschen und zur Welt in Beziehung treten, vermittelt und gestaltet sich in wunderbarer Weise über unseren Körper. Auch jedes Lernen, jede Bewegung, die Wachstum in sich trägt und fördert, muss uns als Ganzes erfassen und dazu braucht es für uns, in unserer Zeit und in unserem Kulturkreis vor allem den Zugang über den Körper.
Als Begleiter haben wir eine besondere Verantwortung in der Arbeit mit anderen Menschen, insbesondere mit jungen Menschen. Sowohl unsere innere Haltung als auch unsere Authentizität als Begleiter wird in der Begleitung unmittelbar und sinnenhaft deutlich spürbar. Dieser nonverbale Zugang erzählt nicht, wie es zu sein hat, sondern bietet die Möglichkeit an, die aktuelle Situation mit allen Sinnen wahrzunehmen und selbst einen gemäßen Umgang damit zu finden.
Über die Körperübungen betrachten wir die Beziehung zu uns selbst, zu anderen Menschen und zu den unterschiedlichsten Situationen. Einher geht damit die Entwicklung einer Wahrnehmung, die bei weitestgehender Gelöstheit – körperlich, seelisch und geistig – den größeren Zusammenhang in den Blick nehmen und halten kann. Veränderung und Wachstum sind stets an die Wahrnehmung gebunden. Dies gilt für die begleiteten Menschen wie für den Begleiter.
Es geht immer wieder darum, wie man die eigene Empfindungsfähigkeit für das, was uns stärkt und weitet, vergrößern und in der Begegnung mit anderen Menschen, mit unserer Umwelt und mit uns selbst einen adäquaten stimmigen Umgang finden kann. Dabei ist die Stärkung und Weitung im Sinne von Wachstum und Entfaltung unseres Wesens gemeint. Die Entfaltung und Ausformung dieser Empfindungsfähigkeit bietet einen roten Faden der Orientierung und wird durch die Körperübungen trainiert.
Die ausgesuchten und entsprechend der Zielsetzung des jeweiligen Konzepts modifizierten Einzel-, Paar- und Gruppenübungen sind eine Einladung, die eine öffnende und lösende Wirkung zur Folge hat. Die Übungen bringen auf eine spielerische Weise innerhalb eines geschützten Rahmens unmittelbar miteinander in Kontakt und gewährleisten eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sich, der Beziehung zum Gegenüber und mit den Bedingungen. Es entstehen unvorhersehbare Situationen, Empfindungen, Erfahrungen und Eindrücke, die dann wiederum auch zu einem verbalen Austausch anregen können. Die Übungen bringen in Bewegung und Bewegung bedeutet Veränderung.
Über die Körperübungen öffnen wir einen Raum, in dem sich Wachstumsbewegungen zeigen und vollziehen können (phänomenologische Haltung). Damit kann sich die eigentliche Dynamik des jeweiligen Geschehens eröffnen, welche sonst unter der Oberfläche der gewohnten Erscheinungsebene verborgen bleibt. Durch die Art der Verdichtung und Aufgabenstellung der angebotenen Körperübungen können wir sehen und erleben, in welchem umfassenden Maß die eigenen körperlichen Spannungsverhältnisse mit unserer Art, in uns und in der Welt zu sein, zusammenhängen. In diesem Sinne handelt es sich um aufdeckende Übungen.
Der Transfer des Erlebten in den eigenen Erfahrungshintergrund und die Integration in den Alltag finden in unterschiedlicher Weise statt. So etwa als Innenraumreise. Oder als unmittelbarer Austausch der Übenden darüber, in welcher Weise sie das soeben Erfahrene fühlen oder schon erlebt haben, mit was es vergleichbar ist bzw. was es für den eigenen privaten, beruflichen oder schulischen Alltag bedeuten kann. Oder auch in der gemeinsamen Sammlung und Einordnung des Erfahrenen (sharing) innerhalb der Großgruppe, in Kleingruppen oder in der Einzelberatung. Und schließlich auch über geeignete Werkzeuge und Techniken, die eigenständig in Alltagssituationen angewendet und eingesetzt werden können.